Wendepunkt

Der März des Jahres 1986 bescherte Falco aber auch noch eine andere Freude: Am 13. März kam seine Tochter Katharina Bianca zur Welt. Er liebte dieses Kind über alles, er hoffte, daß ihm das Kind Halt geben und sein Leben in sichere Bahnen lenken werde. Da ihm seine Junggesellenwohnung in der Wiener Schottenfeldgasse für seine Familie zu klein erschien, kaufte er um viele Millionen ein im Bau befindliches Penthouse im Nobelbezirk Hietzing, das mit jedem nur erdenklichen Luxus ausgestattet werden sollte: Studio, Bibliothek, zwei Terrassen, Whirlpool, Sauna, Armaturen 24karätig vergoldet. Doch zog Falco mit seiner Familie nie ein. Viele Jahre vermietete er die luxuriöse Immobilie, bis er sie 1997 an seinen Freund und Mentor Ronnie Seunig verkaufte.

Falco wurde in dieser Zeit in eine Doppelrolle gedrängt, nämlich in die des frischgebackenen Familienvaters und in die des Weltstars, die im Laufe der Zeit für ihn immer mehr zum Problem wurde, weil das Bild des häuslichen Hans Hölzel nicht zu Falcos Image paßte. Der große berufliche Erfolg und der damit verbundene Druck manövrierten Hans Hölzel wieder einmal in eine schwere Krise, die er mit Alkohol, Drogen und Tabletten zu bewältigen glaubte. Falco: „Die Midlife-crisis habe ich mit 28 gehabt. Jetzt hast du Millionen, du weißt zwar nicht, wo oben und unten ist, aber da ist eine Familie mit einem Kind, und du weißt gar nicht, was du damit anfangen sollst.“

Hans Hölzel, der aus kleinen Verhältnissen stammte, hatte große Schwierigkeiten, seinen plötzlichen Reichtum zu verkraften. Falco, der schon mit 24 Jahren Dollarmillionär geworden war, sagte später: „Die schwierigste Zeit meines Lebens war zu der Zeit, wo ich begann, Geld zu verdienen, und zwar Geld in einem Ausmaß, das ich mir vorher nicht vorstellen konnte. Geld verdirbt die Menschen und hat auch mich lange Zeit verdorben. Geld verdirbt den Charakter, man glaubt, man ist der Größte!“
Falcos erster Vertrag mit GIG Records lief mit dem Album „Falco 3“ aus. Eine bessere Ausgangsposition für neue Vertragsverhandlungen, als Falco sie mit einem Welthit hatte, konnte es gar nicht geben, und Falco unterschrieb bei der deutschen Firma Teldec einen Vertrag über drei Studio-LPs und einer Live-LP, weil eine große Firma Falcos Interessen weltweit besser wahrnehmen konnte als ein kleines Label wie GIG Records. Markus Spiegel begnügte sich mit der Rolle des Lizenznehmers in Österreich. Der neue Vertrag Falcos war mit Sicherheit der höchstdotierte, der je mit einem deutschsprachigen Künstler abgeschlossen wurde. Falco: „Der neue Vertrag war so dotiert, daß er mir sehr den Kopf verdreht hat. Man nimmt halt 40 Millionen Schilling, wenn sie einem angeboten werden, aber besonders gut getan haben sie mir nicht!“ Über sein eigenwilliges Verhältnis zu Geld, Reichtum und Frauen singt Falco in der Coverversion von Rio Reisers „Geld“, die sich auf dem posthum erschienenen Album „Out of the Dark“ befindet.

Im Frühsommer des Jahres 1986 machte Falco einen kurzen Ausflug ins Filmgeschäft und übernahm eine kleine Rolle in der Filmkomödie „Geld oder Leber“ mit Mike Krüger und Ursela Monn in den Hauptrollen. Gedreht wurde unter der Regie von Dieter Pröttel am Wörthersee. „Das war der bestbezahlte Urlaub meines Lebens“, sagte Falco nach den Dreharbeiten. Es waren noch weitere Filmprojekte mit Falco geplant, jedoch konnten seine schauspielerischen Qualitäten nicht überzeugen, weshalb man weitere Pläne in diese Richtung fallen ließ.

Falco, der das ganze Frühjahr über an seinem vierten Album „Emotional“ – er produzierte es wieder mit dem Erfolgsduo Bolland – gearbeitet hatte, ging im Sommer 1986 auf Festspieltournee, die ihn von Mörbisch über Salzburg bis nach Bregenz führte. Er hatte die Idee, Pop und Klassik zu kombinieren, und baute in seine Konzerte einen Auftritt eines Ensembles des Tanztheaters Wien ein, das zur Musik von Tschaikowsky eine rund zehnminütige Tanzshow bot. Höhepunkt dieser Konzertreise war der Open-air-Auftritt vor 20.000 Fans am Salzburger Domplatz.

Nach Abschluß der sehr erfolgreichen Sommertournee begab sich Falco gleich wieder nach Hilversum ins Studio, um sein Album, dem noch drei Titel fehlten, fertigzustellen. Es kam im Spätherbst auf den Markt. Emotional“ war Falcos viertes Album, aber es war sein erstes, wie er meinte, wo er all das sagen konnte, was er immer schon sagen wollte. Im Titelsong „Emotional“ – es handelt sich um bittersüße Soulmusik – singt Falco: „Ich weiß, daß die Frau, die mich erträgt, noch nicht geboren ist, aber ich bitte dich: Komm zur Welt!“ – Dieser Schlüsselsatz brachte es genau auf den Punkt: In seinem Innersten wußte Hans Hölzel, daß es die Frau, die er suchte und brauchte, auf diesem Planeten nicht gab. Hans Hölzel war zeitlebens auf der Suche nach einer Frau, die seiner Mutter ähnlich, aber auch nicht zu häuslich ist – jedenfalls mußte sie sehr humorvoll sein. Das Zusammenleben mit Falco gestaltete sich schwierig. Seine Stimmungslage konnte von einem Augenblick zum anderen wechseln und bewegte sich nur in Extremen: entweder himmelhoch jauchzend oder zu Tode betrübt. Dazwischen gab es bei Hans Hölzel nichts. Dies machte ihn unberechenbar – und oft auch sehr einsam. Die Einsamkeit war für ihn eines der schrecklichsten Dinge auf der Welt, denn er war ein Mensch, der nicht allein sein konnte, es aber in Wirklichkeit immer war.

Zu seiner Mutter hatte er bis zu seinem Tod eine sehr liebevolle und innige Beziehung; sie war sein „Lebensmensch“. Falco: „Was ich bei keiner einzigen Frau der Welt noch gefunden habe und bei ihr habe, ist eine einzigartige Loyalität. Aber ich glaube, die hat man auch nur als Sohn bei der Mutter.“ Einige Male sagte er zu ihr: „Mama, wenn du vor mir stirbst, dann pack‘ ich das nicht!“ – Dieser Schmerz blieb ihm erspart. Im August 1986 packte Isabella ihre Koffer und verließ mit Katharina Bianca die Wiener Wohnung. Hans konnte Isabella aber dazu überreden, wieder zu ihm zurückzukommen. – Ein Szenario, das sich noch mehrere Male wiederholen sollte. Der Song „Emotional“ war aber nicht infolge des Zerwürfnisses mit seiner Frau entstanden, er hatte ihn bereits zwei Monate vorher aufgenommen.

Die Singleauskoppelungen „The Sound of Musik“, „Emotional“ und „Coming Home“ nahmen in den Charts des deutschsprachigen Raums Spitzenplazierungen ein. Mit seinem neuen Album im Gepäck brach Falco im Herbst zu seiner ersten Welttournee auf, die ihn von Österreich, Deutschland, Schweiz über Japan bis in die USA führen sollte. Wegen des großen Ansturms mußte Falco in der Wiener Stadthalle ein Wiederholungskonzert geben. In Japan erwartete ihn ein Publikum, das all seine Erwartungen übertraf. Hunderte Fans und zahlreiche Groupies belagerten die Hotels, in denen Falco mit seiner Band abgestiegen war, am Bahnhof in Tokio kam es regelrecht zu Verfolgungsjagden. Die japanischen Fans kamen im Abendkleid beziehungsweise mit Anzug und Krawatte und verhielten sich in den Konzerten äußerst diszipliniert. Bis zu 5.000 Schilling wurden am Schwarzmarkt für ein Konzertticket geboten. Die Mädchen warfen unzählige Teddybären und manche sogar ihre Slips auf die Bühne Ein solch enthusiastisches Publikum wie in Japan hatte Falco vorher und nachher nie wieder erlebt.

Die USA-Konzerte waren für Jänner bis März 1987 angesetzt, wurden jedoch kurzfristig verschoben und später gänzlich abgesagt, weil dem Konzertveranstalter das Risiko zu groß erschien. Am 20. November 1986 bekam Falco als erfolgreichster deutschsprachiger Popsänger des Jahres den „Goldenen Bambi“ überreicht. Außerdem wurde ihm vom Wiener Bürgermeister das Goldene Verdienstzeichen des Landes Wien verliehen, wodurch Falco mit seinen 29 Jahren der jüngste Ordensträger Wiens wird.

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